AutorIn des Monats

An dieser Stelle präsentieren wir Ihnen unsere beliebtesten Autorinnen und Autoren. Viel Vergnügen beim Kennenlernen und Lesen!


Autorin des Monats: Birgit Sonnberger

Rheinisch katholisch mit schwäbischem Einschlag sozialisiert, träumte sie als Kind davon, berühmte Sängerin und Pianistin zu werden. Mangels Talents und Fleiß' wählte sie einen anderen Weg. Ergebnis: Dipl. Soz. Pädagogin und Coach für Transaktionsanalyse.

Inspiriert durch ihre Reisen und die Begegnungen mit Menschen verarbeitet sie ihre Eindrücke literarisch in Form von Kurzgeschichten. Seit 2018 veröffentlicht sie in Anthologien, Literaturzeitschriften und Magazinen z.B. Kölner Stadtanzeiger, Freiburger Konradsblatt, Edition Maya-, Baltrum- und Heider Verlag,

Ihre Stimme war und ist zu hören in Zusammenarbeit mit dem Musiker-Duo possebrunner im Rahmen der Leverkusener Buchwochen LEVliest!2019/2023.


Sucht

14:27 Uhr. Tobias saß am Küchentisch im Homeoffice. Fahrig tippte er auf die Tastatur seines Laptops. Er war gereizt. Die Attacke hatte ihn unerwartet überfallen. Heimtückisch. Seitdem kreisten seine Gedanken nur noch um die Italienerin. Er warf ihr einen Blick zu. Verlockend strahlte sie ihn an. Noch zögerte er. Seine letzte Berührung hatte er vor einer Stunde. Nein, er hielt es nicht mehr aus und ging zu ihr hinüber. Eine wahre Höllenmaschine, erwartungsvoll blinkte ihm ihre rote Leuchte entgegen. Sie war bereit. Mit ihr zusammen flog er durch seinen täglichen Rausch. 

Er griff nach der Weißblechdose. Mit einem Mal wirkte er konzentriert. In einer fließenden Bewegung drehte er die Dose auf, und sofort zog Espressoduft durch die Luft. Seine Nasenflügel zitterten. Er drückte das Kaffeemehl mit dem Stamper in den Siebträger, drehte ihn ein und stellte das vorgewärmte Tässchen bereit. Dann kippte er den Schalter. Sofort brummte und vibrierte die Maschine im Takt zu seinem wachsenden Verlangen. Er war süchtig nach diesem Geräusch. Lauschte und beobachtete, wie der Espresso zischend in die kleine Tasse tröpfelte und dann in einem fester werdenden Strahl die Crema absetzte. Perfekt. Wie immer spitzte er die Lippen und schluckte erwartungsvoll bei diesem Anblick. Einer der schönsten Momente des Tages. Er lehnte sich mit seinem Tässchen in der Hand an die Theke, schlürfte die schwarze Flüssigkeit und dachte an nichts.

Doris schlenderte herein. "Na, du Junkie, mal wieder Suchtdruck?"

"Jep. Hatte 0,8 bar im Kessel." Schon lange hatte er aufgegeben, sich zu verteidigen.

Doris sah auf die Küchenuhr "Dein vierter?"

"Jep. Der eine braucht halt `ne Schoki oder `nen Schnaps, ich die gemahlene Bohne."

"Für einen kleinen Schwarzen würdest du deine Großmutter verkaufen, was?"

Erschrocken sah er sie an. Ohne Espressi wäre er nur noch ein gewöhnlicher Kaffeetrinker.

Abstinenz kam für ihn nicht in Frage. Aber Oma? Ein solches Opfer? Eine teuflische Frage.


© Birgit Sonnberger, 2023


Wir bedanken uns bei Frau Sonnberger für die gute Zusammenarbeit und wünschen ihr auch weiterhin viel Erfolg beim kreativen Schreiben!



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Erwin Macher